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Insekten oder Bohnen?

 

Was sich wie eine Frage aus dem Dschungelcamp anhört, ist eine Frage, die uns in Zukunft immer stärker beschäftigen wird. Auffällig ist aber, dass Bohnen im Vergleich zu Insekten als „Proteinquelle der Zukunft“ seltener bis gar nicht besprochen werden. Wahrscheinlich weil Insekten das Potenzial zu heftigeren Diskussionen innehaben. Nichts gegen Insekten, aber warum wird der Bohne oder genauer gesagt der Hülsenfrucht nicht dieselbe Aufmerksamkeit als „Proteinquelle der Zukunft“ geschenkt?

 

 

World Pulses Day (Welt-Hülsenfrüchte-Tag)

 

Der #WorldPulsesDay ist ein internationaler Tag, der von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) ins Leben gerufen wurde, um die Bedeutung von Hülsenfrüchten (Trockenbohnen, Linsen, Trockenerbsen, Kichererbsen, Lupinen etc.) als weltweites Nahrungsmittel zu würdigen.

Aufbauend auf dem Erfolg des Internationalen Jahres der Hülsenfrüchte (IYP) im Jahr 2016, das von der FAO durchgeführt wurde, wurde der 10. Februar zum Welttag der Hülsenfrüchte (WPD) erklärt. Unter dem Motto #LovePulses for a healthy diet and planet möchte man an diesem Tag die Öffentlichkeit  für Hülsenfrüchte sensibilisieren und darauf aufmerksam machen, welche große Rolle die Hülsenfrucht für ein nachhaltiges Agrar-Nahrungsmittelsystem, eine bessere Ernährung, eine bessere Umwelt und ein besseres Leben, das alle Menschen auf der Welt  miteinbezieht, spielt.

 

 

Hülsenfrüchte: das Fleisch der Armen

 

In Italien liebt man Bohnen nicht nur über alles, es gibt auch eine unglaubliche Vielfalt. Nach der Entdeckung der Neuen Welt durch Christoph Kolumbus im Jahre 1492 brachte er von dort viele amerikanische Bohnenarten mit, die in Italien schnell große Akzeptanz fanden. So wurde die gemeine Bohne zwischen 1528 und 1532 in Italien eingeführt.

 

Pasta e fagioli zum Beispiel ist ein typisches, italienisches, weltbekanntes  Gericht mit Bohnen, das seine Wurzeln im alten Rom hat und von dem es mehrere regionale Varianten gibt. Für dieses Gericht kann man alle essbaren Samen der Hülsenfruchtpflanzen, wie Erbsen, Kichererbsen, Bohnen, Saubohnen oder Linsen verwenden, die alle im Allgemeinen hervorragende Proteinquellen sind, auf die man viel häufiger zugreifen sollte.  Italiener tun dies seit eh und je! Es ist also nicht verwunderlich, wenn man in allen meinen Kochbüchern (Mamma Maria! (2009); Cucina vegetariana (2014); Dolci italiani (2016); ITALIA (2016); Sizilien in meiner Küche (2019); Toskana in meiner Küche (2021); Cucina vegetariana (2023) sehr viele Rezepte mit Hülsenfrüchten findet.  Vor allem aber in meinem Kochbuch über die toskanische Küche „Toskana in meiner Küche“ spielen Bohnen eine besonders große Rolle.

 

 

"Fiorentin mangiafagioli, lecca piatti e ramaioli e per farla più pulita, si leccava anche le dita"

(Florentiner Bohnenesser, leckt die Teller und die Kellen ab und, um es sauberer zu machen, leckt er auch die Finger ab) 

 

 

[…] Die Toskaner, sie sind die mangiafagioli, die Bohnenesser der Nation schlechthin, und die Bohne wurde seit jeher in der Toskana sowohl in den Häusern der Wohlhabenden als auch in denen des einfachen Volkes gerne und viel konsumiert. Es existiert kein Menü ohne Bohnen als Gang oder Beilage. Und es ist nicht verwunderlich, dass das berühmteste italienische Bohnengericht, die ribollita, aus der Toskana kommt. Diese Vorliebe für Bohnen in der toskanischen Küche erklärt sich aus der Tatsache heraus, dass die Küche dieser Region die Einfachheit als Hauptregel emporhebt, aber auch weil Hülsenfrüchte schon immer wegen ihres hohen Proteingehalts als das Fleisch der Armen galten.

 

Auch wenn die oben zitierte Redewendung nicht immer als Kompliment gedacht war und ist, so fühlen sich die Toskaner darin dennoch bestätigt, dass in keiner anderen Region und in keinem anderen Land die Bohnen so gut, so schmackhaft, so zart, so perfekt gekocht und gewürzt werden wie in der Toskana und besonders in Florenz, sodass man Teller, Kellen und Finger danach zu Recht ablecken muss.

Und in der Tat gibt es in der Toskana nicht nur viele besondere Bohnensorten, sondern auch interessante Kochmethoden, um die perfekte Bohne zu kochen. Eine davon ist sicherlich die fagioli al fiasco, in der Glasflasche gegarte Bohnen, die über Nacht in die Asche des Holzfeuerofens gelegt wird und mit der Hitze der Glut am nächsten Morgen perfekt gegarte Bohnen liefert. Meist werden hierfür Cannellini-, Sorana- oder die gelblichen Zolfini-Bohnen verwendet.

 

Es gibt zwei Auswahlmöglichkeiten für die Farbe beim Bestellen von Bohnen in toskanischen Trattorien: entweder in bianco (weiß), wozu auch die Zubereitung al fiasco gehört, und rosso (rot), wobei hier die Zubereitung mit Tomate und all’uccelletto (nach Art der Vögelchen) gemeint ist.

 

In der Toskana verbreitete sich die Bohne um das 16. Jahrhundert herum nach der Entdeckung der Neuen Welt durch Christoph Kolumbus im Jahre 1492. Er brachte von dort viele amerikanische Bohnenarten mit, die schnell große Akzeptanz fanden, im Gegensatz zur Tomate. Die gemeine Bohne wurde zwischen 1528 und 1532 in Italien eingeführt, und ihr Anbau war praktisch zeitgleich im Veneto und in der Toskana.

Die wohl bekanntesten Sorten aus der Toskana sind ohne Zweifel: Cannellini- und Borlottibohne. Aber darüber hinaus gibt es unzählige Sorten. Zwei der teuersten Bohnensorten kommen ebenfalls aus der Toskana: Fagiolo di Sorana und der Fagiolo Zolfino del Pratomagno.[…] Auszug aus: „Toskana in meiner Küche“ (2021)

 

 

Auch mein neustes Kochbuch Cucina vegetariana, das im März 2023 erschienen ist, enthält das wichtige Zukunfts-Thema "Hülsenfrüchte" mit schönen Rezepten dazu. Und bereits in meinem ersten italienischen, vegetarischen Kochbuch aus dem Jahre 2014 mit dem gleichen Namen, nämlich „Cucina vegetariana“ aber mit einem anderen Inhalt, fanden sich viele Themen dazu, unter anderem zu Lupinen, die damals in Deutschland noch recht unbekannt waren, inzwischen aber auch hierzulande neben Lupinenmehl auch als Samen angeboten werden. Genauso unbekannt wie das Johannisbrot, das in meinem ersten „Cucina vegetariana- Kochbuch“ ebenfalls ausführlich vorgestellt wird.

 

[…] Um 1930 wurde eine alkaloidarme Süßlupine gezüchtet, die nun auch in Deutschland immer mehr an Bedeutung in der Lebensmittelindustrie gewinnt. Insbesondere für die fleischlose Ernährung wird die Lupine immer wichtiger, da sie in vielerlei Hinsicht der Sojabohne überlegen ist. Die Samen der Lupinen sind mineralstoffreicher, ballaststoffreicher, eiweißreicher, voller essentieller Aminosäuren, fettärmer und vor allem auch frei von harnsäurebildenden Purinen, die für die Entstehung von Gicht mitverantwortlich gemacht werden. Die Lupinen haben zwar auch einen – für Pflanzen untypisch – hohen Anteil an Vitamin B12, dem Vitamin, das nur von Mikroorganismen gebildet wird (bei Lupinen aufgrund der Symbiose mit den Knöllchenbakterien), aber es herrschen diesbezüglich noch viele unterschiedliche Meinungen, ob dieses Vitamin in den Lupinensamen überhaupt „aktiv“ ist, also vom Körper verwertet werden kann. […]

Wegen der Möglichkeit, die Lupinen auch in Deutschland zu kultivieren, fallen große Transportwege weg, was sich positiv auf die Umweltbilanz auswirkt. Bisher kennt man in Deutschland die Lupine mehr als gelbliches Mehl, das gelegentlich in Backwaren zu finden ist, um eine intensivere Krusten- und Krumenfarbe hervorzubringen. […] Ich selbst mag die Lupinen ganz einfach als Lupinen. Für mich stellen sie kein Ersatzprodukt dar und müssen auch nicht umgewandelt werden. Ich mag sie […] pur in Salzlake eingelegt.[…] Auszug aus dem Kochbuch: „Cucina vegetariana (2014)“

 

 

Johannisbrot – Mehr als nur eine E-Nummer

 

[…]Wer schon mal die Nekropolis von Pantalica auf Sizilien besucht hat, kennt vielleicht auch den dicken, gemütlichen Baum, in dessen Schatten ein ebenso gemütlicher Wächter mit seinen Informationsblättern auf Besucher wartet. Über ihm im Baum und unter ihm auf dem Boden wird man auf junge grüne bzw. reife braunschwarze Schoten aufmerksam. In Deutschland sind diese Schoten unter der E-Nummer E 410 bekannt. Sie werden Lebensmitteln zugesetzt, z.B. als Verdickungsmittel in Suppen, Saucen, Wurst, Käse oder Puddings, als Wasserbinder bei Joghurt und Quark, damit das Wasser nicht nach oben steigt, zur Vermeidung von Eiskristallen bei Eiscremes und Sorbets, als Backhilfsmittel, Mehl- und Stärkeersatz für glutenfreie Produkte, als Kakaoersatz für fettreduzierte Ernährung, als Emulgatorersatz bei Verzicht auf Eier, als Stabilisator für Schlagsahne und für vieles mehr, was gebunden, verdickt, gesünder und tierfreier werden soll. Sein botanischer Name lautet Ceratonia siliqua, auf Italienisch heißt der Baum, der die Grundlage für diese E-Nummer liefert, Carrubo, auf Deutsch Carobbaum oder Johannisbrotbaum […]. Mit den Kernen seiner Früchte (die Caroben bzw. das Carob/das Johannisbrot, le Carrube/la Carruba)

wird das Johannisbrotkernmehl hergestellt, das sich auch Carubin nennt.

Das Carobpulver bzw. das Johannisbrotmehl (diesmal ohne Kerne) wird dagegen aus dem Fruchtmark der Caroben erzeugt. Das Fruchtmark wird ohne Kerne geröstet und fein gemahlen. Dieses Pulver dient überwiegend als Kakaoersatz, da es weniger Fett enthält. Dennoch hat das Johannisbrot einen eigenen Geschmack, der mit Kakao nicht wirklich zu vergleichen ist.

[…] Erhältlich ist das Johannisbrotkernmehl, wenn nicht in Ihrem Supermarkt, so auf alle Fälle in jedem Bioladen. Gelegentlich erhält man dort auch unverarbeitetes Johannisbrot bzw. Caroben. In Italien, das zusammen mit Spanien zu den Hauptanbauländern des Johannisbrotes gehört, werden die Johannisbrotschoten entweder frisch verzehrt, zu Sirup eingekocht, zu Alkohol fermentiert oder zu Tierfutter verarbeitet.[…]Auszug aus: „Cucina vegetariana (2014)“

 

Zwei Rezepte mit Johannisbrot finden sich auch in meinem Kochbuch „Cucina vegetariana“ aus dem Jahre 2014:

  1. Kaltgerührte Orangenmarmelade mit Johannisbrotkernmehl
  2. Johannisbrotpudding mit Sirup aus dem Johannisbrot

 

 

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Zum Abschluss hier nun ein paar Rezepte aus meinen Büchern.

Viele, viele weitere Rezepte mit Hülsenfrüchten und Informationen dazu finden Sie in all meinen Kochbüchern: 

 

 

 

1. Rezept aus dem 5.Kochbuch 

„Sizilien in meiner Küche“

 

FAVE FRITTE

Frittierte Favabohnen

 

 

Auf sizilianischen Märkten erhält man vielerlei Sorten von getrockneten Hülsenfrüchten, aber auch solche, die man sofort essen kann, als Snack für Zwischendurch oder für einen Aperitivo siciliano (s. S. 219 in „Sizilien in meiner Küche“).

Kaufen kann man etwa die Ciciri e favi caliati (Kichererbsen und Favabohnen aus der Glut).

Diese Hülsenfrüchte werden traditionell bei Festen gegessen. Man braucht allerdings gute Zähne dafür. Für die weicheren, frittierten Favabohnen gibt es zwei Zubereitungsarten: in der Hülse frittiert, das nennt sich dann Favi fritti in camicia (Frittierte Favabohnen im Hemd), und Favi fritti, die gepalt und halbiert frittiert werden. Von der häuslichen »Hemd«-Zubereitung rate ich allerdings dringend ab! Das heiße Öl kann explodieren, wenn die Favabohnen nicht zu 100 Prozent trocken sind oder wenn Luft in den Hülsen eingeschlossen ist.

 

 

 

 

 

 

2. Rezept aus dem 6.Kochbuch 

„Toskana in meiner Küche"

 

INSALATA DA VICENZINO

Das Rezept vor unserer Abreise in die Toskana bzw. Thunfisch-Bohnen-Salat mit Brotfladen

 

Einen Abend, bevor wir in die Toskana aufbrechen, bereite ich diesen schnellen und einfachen Salat zu, der aus Zutaten besteht, die in meiner Küche vorzufinden sind und nicht noch groß eingeweicht und vorbereitet werden müssen. Ich weiß, dass die Toskaner als mangiafagioli (Bohnenesser = freundlich; Bohnenfresser = unfreundlich) bezeichnet werden, und dass Brot nie (niemals!) fehlen darf. Da ich aber kein Brot habe, verknete ich einfach Mehl mit etwas Sprudelwasser und einer Prise Salz und backe daraus in einer Crêpepfanne dünne Brotfladen aus. Diese zerkleinere ich nach Vorbild einer  panzanella und gebe sie in den Salat. Mein Brot wird ein Zwischending aus den für die Toskana typischen crespelle (s. S. 125 in „Toskana in meiner Küche“) und testaroli (s. S. 137 „Toskana in meiner Küche“), nur etwas härter. Dieser Salat ist kein original toskanisches Rezept, sondern nur das, was in meinen Augen vor der Reise toskanisch sein könnte.

 

 

 

 

 

 

 

3. Rezept aus dem 6.Kochbuch 

„Toskana in meiner Küche“

 

TORTA DI CECI

Kichererbsenfladen

 

Darf man in der Toskana Pizza essen gehen? Ich würde sagen: ja, auch wenn Pizza nichts mit der Tradition der Toskana zu tun hat. Pizza scheinen Toskaner trotzdem ganz besonders zu lieben. Ich bekam häufig Tipps, wo man eine gute Pizza essen kann, obwohl ich gar nicht vorhatte, Pizza zu essen. Aber es gibt tatsächlich in der Toskana mittlerweile pizzerie, die pizze nach neapolitanischer Art backen und servieren, so das Ristorante Pizzeria Palazzo Pretorio in Tavarnelle Val di Pesa. Hier waren wir dann doch und haben eine grandiose Pizza gegessen, die mich zu diesem Belag inspiriert hat. Dennoch würde ich kein Pizzarezept in ein toskanisches Kochbuch setzen, nur weil Toskaner gerne Pizza essen. Schließlich gibt es in dieser Region auch andere Fladen, die sich gut belegen lassen wie diese torta di ceci aus der Provinz von Livorno, die man hier auch einfach nur la torta und in der Provinz von Pisa cecina (wie den Ort Cecina südlich von Livorno) nennt. Sie erinnert an die farinata aus Ligurien und die panelle aus Palermo. Auch wenn la torta keine echte Pizza ist, so gelingt sie am besten in einem professionellen Pizzaofen. Darum wird sie in der Toskana oft in pizzerie zubereitet.

 

 

 

 

4. Rezept aus dem 7.Kochbuch 

„Cucina vegetariana“(2023) 

Seite 165.

 

 

TOPINI SU RAGÙ DI CECI NERI

Topini auf Kichererbsenragout

 

 

Diese kleinen Gnocchi, die übersetzt ≫kleine Mäuse≪ heißen, werden vor allem in Arezzo in der Toskana gerne so zubereitet. Statt einer rechteckigen Form, wie in diesem Rezept, kann man auch kleine Kugeln formen und dann mit dem Finger eine Mulde hineindrucken, damit sich die Sauce darin sammeln kann. In der Regel werden sie in Arezzo mit einer Fleischsauce serviert. Bei mir hier aber mit einem ebenso eiweißreichen und deftigen Kichererbsenragout.

 

 

 

 

 

5. Rezept aus dem 2.Kochbuch 

„Cucina vegetariana“(2014) 

Seite 198

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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